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Warum nachhaltige Modest Fashion nicht verhandelbar ist

Warum nachhaltige Modest Fashion nicht verhandelbar ist
Geschrieben von Eva Gall
Als konvertierte muslimische Frau, die Modest Fashion lieben gelernt hat, habe ich mich immer wieder gefragt: Kann mein Glaube mit einem nachhaltigen Lebensstil in Einklang gebracht werden?

Diese Frage kam nicht aus dem Nichts, sondern wurde von meinen Erfahrungen im Studium des Fashion Managements und besonders durch die Auseinandersetzung mit der Modebranche selbst geprägt. Während meiner Recherchen stieß ich auf die vielen problematischen Seiten der Branche – von der Umweltzerstörung bis zu den schlechten Arbeitsbedingungen.

Diese Erkenntnisse trafen mich, und sie machten mir bewusst, wie wichtig es ist, Verantwortung zu übernehmen und bewusste Entscheidungen zu treffen, auch bei der Mode, die ich trage.

Wie kann ich als Muslima meine Kleidung mit den Prinzipien des Glaubens vereinbaren?


Warum nachhaltige Mode für muslimische Frauen unverzichtbar ist


Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Modebegriff – sie ist eine Verantwortung, die tief in den ethischen Grundsätzen des Islam verwurzelt ist. Der Islam legt großen Wert auf den respektvollen Umgang mit der Umwelt und den Ressourcen, die uns anvertraut sind.

Der Prophet Muhammad (s.a.w.) sagte:
„Diejenigen, die verschwenderisch sind, sind die Brüder der Teufel“ (Koran 17:27).

Diese Lehren lassen sich auch auf die Modeindustrie anwenden, die eine der umweltschädlichsten Industrien weltweit ist. Die Modebranche verursacht etwa 10% der globalen CO₂-Emissionen und produziert jährlich 92 Millionen Tonnen Textilmüll. Diese Auswirkungen stehen im direkten Widerspruch zu den islamischen Prinzipien von Bescheidenheit und der Bewahrung von Ressourcen.

Nachhaltigkeit bedeutet für muslimische Konsumentinnen mehr, als nur umweltfreundliche Kleidung zu wählen – sie bedeutet, Kleidung zu tragen, die sowohl ethisch als auch ökologisch korrekt produziert wurde. Es geht darum, sicherzustellen, dass die Mode, die wir tragen, im Einklang mit unseren religiösen Werten steht und gleichzeitig die Umwelt nicht schädigt.

Wenn wir diese Prinzipien ernst nehmen, müssen wir uns bewusst machen, dass unser Konsumverhalten einen direkten Einfluss auf die Welt um uns herum hat.

Historische Verbindung zur Nachhaltigkeit


Die Verbindung zwischen Mode, Glaube und Nachhaltigkeit hat tiefere historische Wurzeln, als viele denken. In der islamischen Geschichte spielte Kleidung schon immer eine zentrale Rolle, um Werte wie Bescheidenheit, Reinheit und Verantwortung zu repräsentieren. Dabei war Nachhaltigkeit oft eine implizite Praxis, lange bevor sie zu einem modernen Trend wurde.

Im Mittelalter waren muslimische Kulturen Vorreiter in der Herstellung hochwertiger Stoffe, wie etwa Seide, Baumwolle und Wolle, die langlebig und ressourcenschonend produziert wurden. Diese Stoffe wurden nicht nur für ihre Schönheit geschätzt, sondern auch für ihre Funktionalität und Haltbarkeit. Kleidung war damals eine wertvolle Ressource, die häufig repariert, weitergegeben oder recycelt wurde – ein bewusster Umgang, der perfekt mit den Prinzipien des Islam übereinstimmt.

Zudem spiegelt sich die Nachhaltigkeit auch in den Lehren des Propheten Muhammad (s.a.w.) wider, der Wert auf Einfachheit und die Vermeidung von Verschwendung legte. Viele muslimische Gemeinschaften lebten über Jahrhunderte hinweg nach dem Prinzip des „Zuhd“ – der Askese und Bescheidenheit –, was sich auch in ihrer Kleidung widerspiegelte. Diese Traditionen wurden durch die Handwerkskunst verstärkt, bei der Mode oft lokal und unter fairen Bedingungen hergestellt wurde.

Doch nicht nur der Glaube, sondern auch die kulturellen Werte in muslimischen Gesellschaften trugen zur Langlebigkeit von Kleidung bei. Die Weitergabe von Kleidungsstücken an die nächste Generation oder das Anpassen alter Outfits an neue Bedürfnisse waren übliche Praktiken, die den Gedanken der Ressourcenschonung förderten.

Die Rückbesinnung auf diese historischen Werte könnte uns heute helfen, die Brücke zwischen nachhaltiger Mode und Modest Fashion zu schlagen. Sie zeigt, dass nachhaltiger Konsum nicht nur ein moderner Trend ist, sondern tief in den Prinzipien des Glaubens und der Traditionen muslimischer Gemeinschaften verwurzelt ist.

Warum nachhaltige Modest Fashion in Deutschland noch schwierig ist


In Deutschland wächst das Bewusstsein für nachhaltige Mode, doch die Modest Fashion Branche steht vor besonderen Herausforderungen. Ein zentrales Problem ist die mangelnde Transparenz der Lieferketten. Viele Modest Fashion Marken bieten kaum Informationen darüber, wie ihre Produkte hergestellt werden. Eine Untersuchung des „Fashion Revolution“ Netzwerks aus dem Jahr 2023 zeigt, dass fast 60% der Bekleidungsmarken keine Informationen zur Herkunft ihrer Materialien oder Produktionsbedingungen angeben. Ohne diese Transparenz ist es schwierig für uns als Konsumentinnen, informierte Entscheidungen zu treffen und wirklich nachhaltige Produkte zu finden.
Ein weiteres Hindernis ist das Fehlen von Zertifikaten und Labels, die für die Modest Fashion von Bedeutung sind. Während die Nahrungsmittelindustrie mit Halal Zertifikaten eine Lösung für Muslime bietet, die sicherstellen möchten, dass ihre Lebensmittel mit den islamischen Prinzipien in Einklang stehen, gibt es in der Modeindustrie nur wenige vergleichbare Standards.
Das Fehlen eines umfassenden Halal-zertifizierten Modestandards für nachhaltige Mode erschwert es uns, sicherzustellen, dass die von uns gekaufte Kleidung nicht nur ökologisch, sondern auch ethisch im Einklang mit unseren Werten steht. Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung, wenn wir diese Lücke zwischen Halal und Nachhaltigkeit in der Modebranche schließen könnten, um den Musliminnen eine klarere Orientierung zu bieten.

 

Tradition oder Nachhaltigkeit? Wie kulturelle Vorlieben unseren Blick verengen

 

Unser Konsumverhalten wird oft auch von den Erwartungen der Gesellschaft und der Familie beeinflusst. Kleidung ist in vielen Fällen weit mehr als eine rein persönliche Entscheidung – sie dient als sichtbarer Ausdruck von Identität, Zugehörigkeit und Werten. Besonders in religiösen und kulturellen Kontexten wird die Wahl der Kleidung häufig als Zeichen der Verbundenheit mit einer bestimmten sozialen oder religiösen Gemeinschaft interpretiert. Dies gilt insbesondere für muslimische Gemeinschaften, in denen Kleidung nicht nur funktional, sondern auch ein Symbol des Glaubens und der Bescheidenheit ist.
In manchen muslimischen Gemeinschaften gibt es zudem eine starke Tradition, Kleidung aus spezifischen Ländern oder von bestimmten Marken zu bevorzugen. Oft haben diese Traditionen einen historischen oder kulturellen Ursprung, wie etwa die Wahl traditioneller Stoffe oder Schnitte, die über Generationen weitergegeben wurden. Diese Vorlieben können jedoch unbewusst dazu führen, dass andere Aspekte – wie Nachhaltigkeit oder ethische Produktion – weniger beachtet werden. Wenn eine Marke beispielsweise für ihre Verbindung zur Gemeinschaft oder ihren besonderen Stil geschätzt wird, wird selten hinterfragt, ob diese auch umweltfreundlich oder fair produziert.
Solche sozialen Normen können das Bewusstsein für nachhaltige Mode schnell in den Hintergrund drängen, da der Fokus stärker auf Traditionen und gewohnten Vorlieben liegt.
Doch ich glaube, dass sich genau hier ein Wandel vollziehen kann – und dass dieser Wandel bereits begonnen hat. Muslimische Vorbilder und Influencer, die sich authentisch für Nachhaltigkeit einsetzen, haben das Potenzial, die Wahrnehmung zu verändern. Sie können zeigen, dass es möglich ist, Modest Fashion zu tragen, die nicht nur den Anforderungen von Glaube und Stil gerecht wird, sondern auch umweltfreundlich und ethisch korrekt ist.

Der Weg zu einer nachhaltigeren Modest Fashion

 

Das Thema nachhaltige Modest Fashion ist nicht nur eine individuelle Verantwortung, sondern auch eine kollektive Herausforderung. Die Modebranche – besonders im Bereich der Modest Fashion – ist von vielen Faktoren beeinflusst, die über das Einzelverhalten hinausgehen.
Eine entscheidende Rolle spielen dabei auch die Marken, die Verantwortung übernehmen und nachhaltige Praktiken in ihre Produktionsprozesse integrieren.
Doch wie können wir als Konsumentinnen den Wandel vorantreiben?
Es beginnt mit der bewussten Entscheidung, Marken wie Wraps of Nature zu unterstützen, die unsere Werte teilen. Marken, die transparent über ihre Lieferketten und die Herkunft ihrer Materialien berichten, die in fairen Arbeitsbedingungen produzieren und auf umweltfreundliche Materialien setzen.
Indem wir solche Marken fördern, geben wir ein starkes Signal an den Markt: Wir wollen Mode, die nicht nur gut aussieht, sondern auch die Welt respektiert, in der wir leben.
Doch dieser Wandel braucht mehr als nur eine bewusste Konsumentscheidung. Wir können als Gemeinschaft eine echte Veränderung bewirken, indem wir uns für eine nachhaltig orientierte Modewelt starkmachen. Indem wir die Bedeutung von nachhaltiger Mode in unseren Gesprächen und Netzwerken teilen, können wir die Menschen um uns herum inspirieren und aufklären. So tragen wir dazu bei, dass die Nachfrage nach nachhaltig produzierter Modest Fashion weiterwächst – nicht nur in der muslimischen Gemeinschaft, sondern auch darüber hinaus.

 

 

Quellen:
"Islamic Textiles: From the Middle East to Central Asia" von Patricia L. Baker.
Koran 17:27
Bericht der UN-Umweltbehörde: "Fashion and the SDGs: What Role for the UN?"
Fashion Revolution Transparency Index 2023
"Green Deen: What Islam Teaches About Protecting the Planet" von Ibrahim Abdul-Matin
"Fashion: A Philosophy" von Lars Svendsen
"The Environmental Dimensions of Islam" von Mawil Izzi Dien